Bericht der Hersbrucker Zeitung vom 28.07.01

Franzosen am KZ-Mahnmal
Auf ihrer Jahresreise zu den ehemaligen Konzentrationslagern besuchte eine Abordnung der französischen Association de Flossenbürg auch wieder Hersbruck. Stationen waren die – bis 17. August verlängerte – Ausstellung in der Sparkasse, das KZ-Mahnmal an der Amberger Straße und das ehemalige Lagergelände um das heutige Amt für Landwirtschaft.
Etwa 40 Personen umfasste die französische Reisegruppe; dabei waren neben ehemaligen KZ-Insassen und deren Angehörigen auch Jugendliche, die an dieser Rundfahrt als Anerkennung für gute Leistungen in einem Wettbewerb an französischen Schulen zum Thema „Frankreich während der Nazi-Zeit“ teilnehmen durften.
Als Abgeordneter der Stadt Hersbruck und in Vertretung des Bürgermeisters begrüßte Stadtrat Paul Kornmeyer die Abordnung an der Gedenktafel. Verkehrsamtsleiterin Petra Hoffmann übergab Gutscheine für ein Bratwurstessen in der Gaststätte Michelsberg.
Gruppe war tief bewegt
Michel Glisson, Vizepräsident der Association de Flossenbürg, bestätigte in seiner Ansprache, dass die Gruppe tief bewegt sei von der Ausstellung der Dokumentationsstätte KZ Hersbruck in der Sparkasse. Es sei beachtlich, wie eindrucksvoll der Verein das wenige zur Verfügung stehende Material aufgearbeitet habe. Während die französische Nationalhymne abgespielt wurde, legten Vertreter der Delegation einen Kranz an dem Mahnmal nieder.
Im Anschluss an die kurze ergreifende Zeremonie versammelte sich die Abordnung auf dem ehemaligen KZ-Gelände neben dem Amt für Landwirtschaft. Roger Caille, ein ehemaliger KZ-Häftling in Hersbruck, zeigte, wo damals die Unterkunftsbaracken standen und berichtete von seinen leidvollen Erlebnissen jener Zeit. Er erzählte, dass nur drei von insgesamt 180 Franzosen die Lagerzeit überlebt hätten. Er selbst habe sich bei den Arbeiten an den Happurger Doggerstollen absichtlich den Zeigefinger seiner linken Hand von einer Lore zerquetschen lassen, um ins Krankenrevier zu kommen. Sein Körpergewicht habe nur noch 35 kg betragen. „Ich war dünn wie eine Fischgräte“, berichtete er. Nur glückliche Umstände hätten ihm das Leben gerettet. Nach der Bombardierung des Hersbrucker Lagers zu Ostern 1945 war er nach Dachau verlegt worden, wo er am 29. April 1945 von Soldaten der US-Armee befreit wurde.
Wie geht man heute damit um?
Den letzten Wandertag des Schuljahres nutzten die Kollegiaten und Kollegiatinnen des Paul-Pfinzing-Gymnasiums mit ihren Kursleiterinnen Mergler und Fickel zu einer Exkursion zum Gelände des früheren KZ Hersbruck. Viele zeigten sich erstaunt über die Ausmaße des Lagers an der Amberger Straße. Dank der exzellenten Führung von Wilhelm Henke vom Verein Dokumentationsstätte KZ Hersbruck konnten die Örtlichkeiten genau erfahren oder besser gesagt ergangen werden. Mit gelber Farbe wurden nämlich die Wachtürme und die Eckpunkte des Lagers exakt auf dem heute ja vollständig anderweitig genutzten Gelände markiert.
Zu einer ersten Information dienten der Videofilm von Gerhard Faul und ein einführendes Gespräch mit H. Henke, das den Schülern Zugang zur Zeit des Nationalsozialismus ermöglichte. Immer wieder wurde auch die Frage der Gedenk-Arbeit diskutiert. Sollte man z.B. einen Wachturm rekonstruieren oder stört das vielleicht so nahe am geplanten Thermalbad? Wäre es richtig, an Stelle des Kreuzes, das in der heutigen Siedlung Erlenstraße stand, eine Gedenktafel aufzustellen oder zumindest an den Lagergalgen in irgendeiner Form zu erinnern?
Unerwartet war allerdings für die ganze Gruppe das spontane, sich recht emotional entwickelnde Gespräch mit einer Hersbrucker Bürgerin, die zufällig anwesend war. Es machte allen bewusst, wie wenig die Thematik KZ Hersbruck in der Bevölkerung noch aufgearbeitet ist. Dass dies in einem Miteinander von Jugend und alten Menschen gelingen kann, dazu lieferte die gesamte Veranstaltung einen guten Beitrag.
Georg Bauer