Wer war Odoardo Focherini?

Geboren wurde er am 6. Juni 1907 in der Stadt Carpi (Provinz Modena). Sein Vater Tobia Focherini betrieb dort eine Eisenwaren- Handlung.
Für seine religiöse Haltung wurde die Begegnung mit den Jugendseelsorgern Don Armando Benatti (1887 – 1937) und Zeno Saltini (1900 – 1981) prägend. Aus tiefem Glauben heraus engagierte er sich in der Laienbewegung „Azione Cattolica“* und gründete 1924 die Jugendzeitschrift „L’Aspirante“. 1928 wurde er Präsident des katholischen Jungmännerbundes, 1936 Präsident der Katholischen Aktion seiner Diözese.
Am 9. Juli 1930 heiratete er Maria Marcheso (1909 – 1989). Er wurde Vater von sieben Kindern.
Ab 1934 arbeitete er für eine katholische Versicherungsgesellschaft in Verona. In Bologna wurde er 1939 Geschäftsführer der katholischen Tageszeitung „L’Avenire d’Italia“.
1937 verlieh ihm Papst Pius XI. das Ritterkreuz des hl. Sylvester.
1938 stellte Focherini einen Juden namens Giacomo Lampronti, der wegen der Rassengesetze seinen vorherigen Job verloren hatte, bei seiner Zeitung ein. Lampronti ehrte Focherini in seinen Erinnerungen 1948 „Mio fratello Odoardo“ (Mein Bruder Eduard).

Im Jahr 1942 setzte er sich erstmals für verfolgte Juden ein.

Zwei jüdischen Flüchtlingen aus Polen verhalf er zum Grenzübertritt nach Spanien. Als nach der deutschen Besetzung auch in Italien die Deportationen begannen, organisierte er mit anderen die Flucht vieler Juden in die Schweiz. Dazu hatte er dank seiner vielen Kontakte zu gleichgesinnten gläubigen Katholiken, vor allem zu einem Priester namens Dante Sala, ein wirksam arbeitendes Helfernetz aufbauen können. Für ihn war diese Hilfe ein Akt praktizierter Nächstenliebe.
Über 100 Juden rettete er so das Leben, indem er ihnen zur Flucht in die Schweiz verhalf. Von den Faschisten wurde er aber gefasst, als er am 11. März 1944 einen Juden namens Enrico Donati im Ramazzini- Spital in Carpi besuchte. Er musste im Polizei-Präsidium in Modena erscheinen, wo er verhaftet wurde.

Zunächst brachte man ihn nach Bologna zur SS Kommandantur, danach ins Gefängnis S. Giovanni in Monte. Am 5. Juli 1944 wurde er ins Konzentrationslager in Fossoli di Carpi, dem größten von 21 Lagern in Italien, gebracht. Am 5. August verlegte man ihn ins Durchgangslager Gries (Bozen) und am 5. September ins KZ Flossenbürg (Häftlingsnummer 21518) und einen Monat später kam er nach Hersbruck.

Eine unbehandelte Verletzung am Bein führte zu einer Blutvergiftung, an der er schließlich am 27. Dezember 1944 verstarb.

Der Weg von Carpi/Italien nach Hersbruck/Deutschland

Während seiner Haft in Italien kann Focherini Briefkontakt zur Familie halten. Auch aus Hersbruck darf er zweimal schreiben. Insgesamt sind 166 offizielle und heimliche Nachrichten erhalten.

„Meine Liebste, am Beginn der Reise, die mich etwas weiter weg führen wird, sind meine Gedanken wie immer bei dir und den Kindern. lch werde sofort schreiben. Gesundheit bestens. Ich bete und ich bin dir nah, nah in jedem Moment.
In der Erwartung, dich wieder zu sehen, tausend Küsse und die besten Wünsche für Frieden und Wohlergehen. Der Herr stehe dir bei und helfe dir. An alle dicke Küsse und an dich die dankbarsten und glühendsten. In unveränderter Treue Deiner. Odoardo“

Brief aus Bozen vom 5. September 1944

„Meine Liebste, am Beginn der Reise, die mich etwas weiter weg führen wird, sind meine Gedanken wie immer bei dir und den Kindern. lch werde sofort schreiben. Gesundheit bestens. Ich bete und ich bin dir nah, nah in jedem Moment.
In der Erwartung, dich wieder zu sehen, tausend Küsse und die besten Wünsche für Frieden und Wohlergehen. Der Herr stehe dir bei und helfe dir. An alle dicke Küsse und an dich die dankbarsten und glühendsten. In unveränderter Treue Deiner. Odoardo“

Während seiner Lagerhaft schrieb er 166 Briefe, die Aufschluss über seine innere Haltung geben. Die zwei letzten Briefe an seine Familie diktierte er in Hersbruck seinem Freund und Mitgefangenen Teresio Olivelli.

In seinem letzten Brief schrieb Focherini:

„Ich erkläre, dass ich im reinsten katholischen, apostolischen und römischen Glauben und in vollständiger Unterwerfung unter den Willen Gottes sterbe. Mein Leben will ich als Opfergabe für meine Diözese und die Katholische Aktion, für den Papst und die Wiederherstellung des Friedens auf dieser Welt hingeben.
(Q. G. Wiesner, Ein guter Freund…, Hersbrucker Zeitung vom 3.12.2012, S.5)

Erst im Juni 1945 erfahren seine Frau und die sieben Kinder von seinem Tod.

Meine innigst liebste Maria!
Ich befinde mich in einem Arbeitslager Hier wie gewöhnlich gesund und heiter. Dasselbe hoffe ich auf dich und Kinder, Eltern; gesund, heiter, vertrauensvoll.
Ich arbeite und brauche nichts besonderesausserdem die Gewissheit deiner unerschütterlichen Heiterkeit. Ihr seid meine Sorge und meine Freude. Ich bitte dich auf eurem Nachrichten.
Ich küsse dich mit brennender Herzen und in dir die Kinder und die Eltern.
Auf Wiedersehen, Gott mit euch, mit uns ..

Die jüdische Kultusgemeinde in Italien verlieh ihm 1955 posthum die Goldmedaille für besondere Verdienste.
1969wurde er von YadVashem in Israel in die Schar der „Gerechten der Völker“ aufgenommen.
Am 12. Februar 1996 wurde der Seligsprechungsprozess für ihn eröffnet. Der diözesane Informationsprozess wurde am 5.Juni 1998 abgeschlossen und die Akten nach Rom überreicht.
Am 16. April 2007 ehrte ihn der Staat Italien posthum mit der Goldenen Verdienstmedaille.
Am Samstag, den 9.Juni 2007, an seinem 100. Geburtstag, wurde im Dom von Carpi in einem feierlichen Gottesdienst seiner gedacht.
Am Samstag, 15. Juni 2013 wurde er im Dom von Carpi seliggesprochen.
(Q. G. Wiesner, Ein guter Freund…, Hersbrucker Zeitung vom 3.12.2012, S.5)

Yad Vashem: Gerechter der Völker:

  • In einer Welt totalen moralischen Zusammenbruchs gab es eine kleine Minderheit, die außergewöhnlichen Mut an den Tag legte, um menschliche Werte hochzuhalten. Dies waren die Gerechten unter den Völkern. Sie stehen in krassem Gegensatz zu der Gleichgültigkeit und Feindseligkeit der während des Holocaust vorherrschenden Massen. Entgegen der allgemeinen Tendenz betrachteten diese Retter die Juden als Mitmenschen, für die sie sich grundsätzlich verantwortlich fühlten.
  • Die meisten Retter waren ganz gewöhnliche Menschen. Manche handelten aus politischer, ideologischer oder religiöser Überzeugung. Andere waren keine großartigen Idealisten, sondern Menschen, die sich einfach um ihre Mitmenschen sorgten. Viele hatten nie vorgehabt, zu Rettern zu werden, und waren vollkommen unvorbereitet auf den Augenblick, in dem sie eine so weitreichende Entscheidung fällen mussten. Sie waren einfache Menschen, und gerade ihre Menschlichkeit ist es, die uns berührt und uns als Vorbild dienen sollte. Bis jetzt hat Yad Vashem „Gerechte unter den Völkern“ aus 44 Ländern und Nationalitäten anerkannt.

Quelle: http://www.yadvashem.org/yv/de/righteous/about.asp (18.12.2013)