Stellungnahme zum Diakoneo-Projekt (Stand 20.10.2021)

Voraussetzungen:

1. Die Vereinsmitglieder wurden über einen Artikel in der HZ von Di 10.August 2021 bezogen auf eine Beschlussfassung des Stadtrats/Bauausschuss über die geplante Neuordnung und Bebauung des letzten noch unbebauten Stücks des ehemaligen KZ-Geländes Hersbruck informiert.

2. Die beiden Vorsitzenden haben sich in einem Gespräch mit Bürgermeister R. Ilg am 14.10.2021 den Stand des Verfahrens erläutern lassen. Der Stand des Verfahrens wurde als unumkehrbar beschrieben.

3. Die Dokumentationsstätte KZ Hersbruck äußert sich nicht zu städtebaulichen, regionalplanerischen, finanziellen oder ähnlichen Gesichtspunkten der betreffenden Planung. Die Stellungnahme bezieht sich nur auf das Vereinsziel (in der Satzung beschrieben):

  • die Geschichte des Konzentrationslagers in Hersbruck und der Doggerstollen bei Happurg aufzuarbeiten und zu dokumentieren, um das Erinnern und Gedenken an die Opfer der Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus zu erhalten und zu fördern;
  • die Ergebnisse dieser Arbeit der Öffentlichkeit insbesondere zum Zwecke der Aufklärung zugänglich zu machen;

Die Stadt Hersbruck ist institutionelles Mitglied des Vereins und unterstützt die Arbeit finanziell und ideell. Bürgermeister R. Ilg unterstützt den Verein bei der Erfüllung seiner Aufgaben persönlich und mit großem Einsatz.

4. Das bisher noch unbebaute Gelände macht einen vernachlässigten Eindruck und ist in einem dem geschichtsträchtigen Ort unangemessenen Zustand. Die Elemente der Erinnerung und des Gedenkens (Gedenksteinstein von 1983 mit Tafeln, Infostelen von 2009 und der Doku-Ort von 2016) stehen in keinem Zusammenhang. Es gibt keine Übersichtskarte über das ehem. Lagergelände.

Bewertungen:

5. Der Verein kann – gemessen an den Zielen der Vereinsarbeit – mit dem Ergebnis der Beschlüsse und der angestrebten Planung nicht einverstanden sein.

6. Die geplante Endfassung des Geländes berücksichtigt nicht, jedenfalls nicht erkennbar, die Bürde und Würde des Geländes aus 1944/45, obwohl viele andere wichtige Belange – Verkehr, Bebauung, Grün, Parkplätze etc. berücksichtigt wurden.

7. Nach vorliegender Planung wird das letzte noch nicht überbaute Gelände des ehemaligen KZ nach Auflassung der Tennisplätze vollständig überplant und endgültig bebaut, ohne baulich das Erinnern und Gedenken an die Opfer der Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus zu erhalten oder zu fördern.

Das ist nicht mehr zeitgemäß. Das Gelände enthält auch große Teile des Appellplatzes auf dem viele Häftlinge gestorben oder durch Hängen hingerichtet wurden.

8. Die vorliegende Planung folgt der vielfach kritisierten Logik einer geschichtslosen Bebauung des Geländes. Er verfehlt alle Ziele, die im Rahmen der gegenwärtigen Erinnerungskultur, zu der sich Stadt und Verein bekennen, erarbeitet wurden.

Was in den 50er Jahren mit der Landwirtschaftsschule und Wohnbebauung unter anderen gesellschaftlichen Bedingungen begonnen, mit dem Abriss der Kommandantur und dem Neubau des Finanzamts fortgesetzt, mit dem Thermenbau und provisorischen Parkplätzen erweitert wurde, soll nun bruchlos vollendet werden.

9. Das bisher erreichte Erinnern und Gedenken wird nach vorliegender Planung baulich „ausgegrenzt“ und an die Seite geschoben.

Das Erinnern wird in den (im baulichen Vergleich winzigen) Dokuort, den schwarzen „Kubus“, am Rand des Geländes gedrückt bzw. an die Skulptur „Ohne Namen“ von Vittore Bocchetta (ehemaliger Häftling, Überlebender, Zeitzeuge, +Feb. 2021) in den benachbarten Erholungs- und Skulpturenpark Rosengarten ausgelagert. Der Gedenkstein von 1983 und die verbliebenen, bereits dezimierten Infotafeln, die eine letzte Lesbarkeit des Geländes deutlich gemacht haben, werden nicht berücksichtigt.

Vorschläge und Weiterarbeit:

10. Der Verein fördert die Entwicklung von Ideen und Leitlinien zur Bebauung und Nutzung des Planungsgebiets und des kompletten Viertels. Sie sollen die Würde und Bürde des Geländes zur Geltung bringen, in Einklang mit anderen wichtigen Gesichtspunkten.

Dazu soll die verbleibende Zeit der Noch-Planung genutzt werden. Einbezogen werden müssen unseres Erachtens die Stiftung Bayerische Gedenkstätten und die Gedenkstätte Flossenbürg (Stammlager) sowie die Bürger*innen von Hersbruck, natürlich auch der neue Besitzer von Teilen des Geländes (Diakoneo).

11. Der Verein sammelt unabhängig davon eigenständig Ideen, Vorschläge und Konzepte,

wie Bebauung und Nutzung des Geländes unter Respekt gegenüber Würde und Bürde aus der Geschichte erfolgen könnten und bittet die Stiftung Bayerische Gedenkstätten und die Gedenkstätte Flossenbürg dabei um fachliche Unterstützung.

12. Straßen und Wege oder entstehende Plätze auf dem Gelände sollen nach den Opfern benannt werden,

ebenso Gebäudeteile oder angesiedelte Institutionen. (Vittore Bocchetta, Alfred Nerlich, Roger Caillé, Odoardo Foccherini, Teresio Olivelli, Ljubisa Letic, Bernhard Teitelbaum, u.a.)

13. Es braucht ein zusammenhängendes, übergreifendes Konzept zur Dokumentation und Erinnerung unter Einbeziehung der bestehenden Elemente und Fragmente des Erinnerns.

Stiftung Bayerische Gedenkstätten und Gedenkstätte Flossenbürg werden gebeten, dieses zu entwickeln und umzusetzen.

14. Der Verein beteiligt sich mit dem Wissen und der Kompetenz seiner Mitarbeitenden an allen Bemühungen, dem Gelände und allem was dort entstehen soll, mit „Respekt vor Würde und Bürde“ zu begegnen.

Insbesondere lädt der Verein Planer und Entscheider von Diakoneo zu Rundgängen über das Gelände und Gesprächen ein. Bürgermeister R. Ilg hat einen Runden Tisches mit Diakoneo vorgeschlagen. Der Verein bittet um Vorbereitung und Einberufung dazu.

Nach Diskussion im Vorstand am 19.10.2021
formuliert von Thomas Wrensch, 1. Vors.
Dokumentationsstätte KZ Hersbruck, Stand 25.10.2021